Ihre Version des Walfangliedes „Wellermann“, dass sie mit Nathan Evans im vergangenen Jahr aufnahmen, rauscht uns noch immer im Ohr, da schlägt schon das nächste Album von Santiano erste, mächtige Wellen. Wobei eine Meeres-Metapher, die auf gigantische Eisschollen setzt, ein wenig besser passen würde. Denn das für den 8. Oktober angekündigte neue Santiano-Album „Wenn die Kälte kommt“ ist ein Konzeptalbum über berühmte Seereisen ins ewige Eis. Gut vier Jahre mussten die Fans der erfolgreichsten Shanty-Band Europas auf den Nachfolger von „Haithabu“ warten, aber dafür werden sie nun mit einem lyrischen und musikalischen Epos beschenkt.

Dabei bewegen sich Santiano allerdings mitnichten nur in der Vergangenheit. Ihre Erzählung schlägt einen Bogen von Roald Amundsen, der am 16. Juni 1918 aufbrach, um als erster Mensch den Nordpol zu erreichen, bis zu norddeutschen Polarforscher Arved Fuchs, der auf seiner „Dagmar Aaen“ an den Folgen des Klimawandels forscht. Die Band traf Fuchs vor seiner Abreise in Kiel auf seinem Schiff und unterstützt seine Forschungsreise mit dem Ziel, das ewige Eis zu verstehen und zu bewahren. Denn das ist die Botschaft, die Santiano vermitteln wollen: Den Forscherdrang, den es damals brauchte, um mit einer Crew in diese unwirtliche Meeresregion zu reisen, braucht es heute, um Wege zu finden, das Eis zu bewahren.

Die erste Single ist der perfekte Einstieg in diese Geschichte: Das dramatische, kämpferische Lied thematisiert die lähmende Kälte, die alle befällt und keinen schont. Aber: „Wenn die Kälte kommt / Mit eisiger Hand / Wenn die Kälte kommt / Und dein Herz übermannt / Wenn die Seele friert / Der Hass in dir brennt / Dann bin ich bei dir / Wo die Hoffnung dich wärmt.“ Denn das ist es, was es braucht, um dem kalten Todeshauch des Eises zu widerstehen: Mannschaftsgeist, körperliche Wärme und die Hoffnung, das Ziel zu erreichen und der Naturgewalt zu widerstehen. Ein Rüstzeug, das auch mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels, heute noch gut zu gebrauchen ist – und deshalb diese Hymne verdient hat.

Und auch mit ihrer eindringlichen Ballade „Wer kann segeln ohne Wind“, die als deutsch/englische Version des schwedischen Traditionals daherkommt, bildet die Band die aktuelle Gemütslage innerhalb unserer Gesellschaft ab und schenken zeitgleich Hoffnung. Zwar startet der Song mit einer gewissen Aussichtslosigkeit: „Schließ die Augen und schließ dein Herz / Komm nimm Abschied mein Bruder / Füge auch du dich dem Schicksal mein Freund / Nimm deine Hand vom Ruder.“ Zeigt aber auch, dass wir unsere Ziele nur erreichen können, wenn wir unser Schicksal annehmen und unseren Blick nach vorne richten.