Die Karriere von Nathan Evans klingt fast ein wenig wie ein modernes Internetmärchen. Ach was – sie ist eines! Hier noch einmal die Kurzversion, für alle, die außer auf unserer Website vor allem analog unterwegs sind: Nathan liebte schon immer Musik, jobbte sich durch seine Heimatstadt Glasgow, lebte glücklich mit seiner Jugendliebe Holly zusammen (die inzwischen seine Ehefrau ist und die er kennt, seit er zwölf ist), ging zur Uni, wurde schließlich Postbote, musizierte aber immer nebenher, fand in der Pandemie keine Auftrittsmöglichkeiten, nutzte schließlich YouTube und TikTok und kam plötzlich auf die Idee, einen catchy Shanty zu covern, der vor allem auf Walfangschiffen gesungen wurde. Nathans Interpretation des „Wellerman“ ging zum Jahreswechsel durch die Decke, als sich sein TikTok-Clip wie ein Lauffeuer um die ganze Welt verbreitete. Die Remix-Version von 220 KID & Billen Ted – „Wellerman“ – erschien wenig später als seine offizielle Debütsingle und erstürmte in gleich 10 Ländern Platz #1 der Singlecharts. Flankiert von einer halben Milliarde Streams, schrieb der britische Rolling Stone, dass Evans „in die Stratosphäre durchgestartet“ sei.

„Das fühlt sich an, als würde ich im Zentrum eines Wirbelsturms stehen“, sagt Evans selbst, „und dabei zusehen, wie alles um mich herum durch die Gegend gewirbelt wird. Diese letzten Monate waren der absolute Traum – einfach fantastisch, in sämtlichen Ecken der Welt meine Stimme zu hören.“ Der besagte TikTok-Clip steht übrigens inzwischen bei über 5,5 Milliarden (!) Views bei TikTok.

Aber wie macht man dann weiter? Nathan Evans war zu lange Fan und Musiker, um sich bloß auf das Covern historischer Seemannslieder zu beschränken – obwohl das ein faszinierender Fundus ist. „In Interviews wurde ich dann immer über meine Liebe zu Shantys und Seemannsliedern ausgefragt, ob ich womöglich in irgendeinem kleinen Kaff an der schottischen Küste aufgewachsen sei? Ich hab mich dann immer entschuldigt: ‘Stimmt absolut nicht.’“ Tatsächlich wird Evans sogar seekrank, wenn er irgendein Boot betritt. „Aber für die war ich der Hochsee-Shanty-Mann vom Meer“, sagt er weiter, was jedoch keine Beschwerde sein soll, im Gegenteil: Er hat zuletzt sogar Auftrags-Shantys für die US-Navy und die Gewinner des Super Bowl (The Tampa Bay Buccaneers) komponiert. Auch sein erstes Buch zum Thema kommt bald: Die Rechte gingen an den Londoner Verlag Welbeck, der Evans’ Werk in einer sehr schönen Edition im Oktober letzten Jahres in den Buchhandel brachte.

Nathan Evans hat also seine Ambitionen als eigener Künstler mit seiner Liebe zur Shanty-Musik verbunden und legt nun auf „Wellerman – The Album“ neue, von ihm (mit)geschriebene und auch wieder gecoverte, zeitlos klingende Lieder für die See und von der See vor. Die schon hörbaren Singles zeigen, wie gut das funktioniert: „The Last Shanty“ mit einem Text von Tom Lewis ist so etwas wie ein Abgesang auf das klassische Seemannsleben. Darin singt Evans: „Two cans of beer a day and that's your bleeding lot / And now we've got an extra one because they stopped The Tot / So we'll put on our civvy-clothes find a pub ashore / A sailor's just a sailor just like he was before.“ Zuletzt erschien dann das von Nathan Evans mit aufpolierte und neu interpretierte Traditional „The Banks Of Sacramento“, das ebenfalls auf ganzer Linie überzeugt. Man darf also schon jetzt gespannt sein, was es unter den Segeln seinen Debüts „Wellerman – The Album“ noch alles zu entdecken gibt.